#Success-Story: Neue Wege zur Demenz-Früherkennung

Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen in Österreich steigt immer weiter, zugleich sinkt jedoch die Lebensqualität im hohen Alter. Grund dafür sind körperliche und kognitive Einschränkungen. Ein interdisziplinäres Team entwickelt mit SCOBES-AR nun ein Screening-Tool für die Früherkennung von Demenzerkrankungen und nutzt dafür innovative Technologien.

Unter der Leitung von Wolfgang Staubmann, Dozent am Institut für Diätologie, arbeitet ein interdisziplinäres Team der FH Joanneum in Graz an einem Programm für die Früherkennung von Demenzerkrankungen. SCOBES-AR steht für „Smart Cognition and Behaviour Screening powered by Augmented Reality“. Das Projektteam wendet nicht nur Testverfahren aus verschiedenen Bereichen wie der Ergo- und Physiotherapie an, sondern setzt dafür auch gezielt neue Technologien ein. Neben den klassischen medizinischen Parametern und Biomarkern gibt es vermehrt wissenschaftliche Hinweise darauf, wie sich dementielle Erkrankungen bereits früh zeigen können, ohne klinisch manifestiert zu sein. So können beispielsweise eine abnehmende Riechleistung, Änderungen von klassischen Prozessabläufen des Alltags – sogenannte IADLs, also instrumentellen Tätigkeiten des täglichen Lebens – oder gewisse Gangunsicherheiten diffizile Symptome einer beginnenden kognitiven Störung sein. Abhängig davon, welche gesundheitliche Disziplin eine mögliche Demenzerkrankung untersucht, zeigen sich völlig unterschiedliche Hinweise. Einzelne Testverfahren gab es bereits, es fehlte jedoch die Möglichkeit, diese sinnvoll miteinander zu verknüpfen.

Screening-Tool für unterschiedliche Parameter

“Auf Basis dieser Faktoren entstand die Überlegung, die unterschiedlichen Parameter gemeinsam mit bereits etablierten Risikofaktoren zu einem Screening-Tool für Menschen ab 60 Jahren zusammenzufassen und herauszufinden, ob dieses Werkzeug die Prävention sinnvoll unterstützen kann”, erläutert Wolfgang Staubmann den fächerübergreifenden Ansatz von SCOBES-AR. Die Symptome in einem schriftlichen Test abzufragen, erschien dem Team jedoch zu kurz gegriffen. Zumindest Teile des Testverfahrens – etwa eine Ganganalyse oder eine Einkaufssituation, die andernfalls tatsächlich nachgestellt werden müsste, – sollten in einer augmentierten Version stattfinden und die Testung damit besonders ökonomisch gestalten.

Studie mit Hindernissen

Um die notwendigen Testverfahren für die Zielgruppe der 60- bis 75-Jährigen zu validieren, benötigte es zuerst eine umfangreiche Studie. Die anfänglichen Zweifel, ob sich für diesen Zweck die erforderlichen 300 Probandinnen und Probanden finden würden, zerstreuten sich rasch. “Der Zulauf aus der Bevölkerung war immens und zeigte deutlich, wie sehr sich die Zielgruppe mit dem Thema auseinandersetzt. Viele Teilnehmer hatten einen persönlichen Bezug im nahen Umfeld und wollten eine mögliche frühzeitige Erkennung aktiv unterstützen”, erklärt Staubmann die Motivation hinter den zahlreichen Anmeldungen.

Scobes-AR testet Möglichkeiten zur Demenz-Früherkennung, Foto: FH Joanneum / Miriam Weiß
SCOBES-AR testet Demenz-Früherkennung mittels Augmented Reality. Foto: FH Joanneum / Miriam Weiß

 

Mit dem ersten coronabedingten Lockdown musste auch die Studie zu einem ungünstigen Zeitpunkt eine Pause einlegen. Schließlich sollten gerade in dieser Phase erste Ergebnisse ausgewertet und im Zuge des Förderprogramms präsentiert werden. “Vonseiten der FFG zeigte man sich jedoch äußerst verständnisvoll und bemühte sich um eine passende Lösung”, erinnert sich Staubmann. Auch das Interesse der Studienteilnehmer blieb über den Lockdown erhalten. Im Juni 2020 nahm das Team die Arbeit unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen wieder auf.

Im Herbst 2020 startete das Team in die nächste Phase und begann mit der Entwicklung eines Prototyps der Augmented-Reality-Brille. Diese soll ab Herbst 2021 getestet und 2022 in einer großen Feldstudie validiert werden. Als wichtigsten Einsatzort von SCOBES-AR sieht Staubmann Primärversorgungszentren, aber er kann sich auch eine mobile Variante in Pflegewohnheimen vorstellen.

Umgang mit Ergebnissen

Bleibt nur noch die Frage zu klären, wie sowohl Betroffene als auch medizinisches Personal mit den jeweiligen Testergebnissen umgehen. Eine umfassende Entwicklung von Interventionskonzepten würde den Rahmen von SCOBES-AR sprengen, trotzdem macht man sich Gedanken, welche Art der Begleitung jene Menschen brauchen, die Symptome von Demenz zeigen. Hier könnten etwa telemedizinische Angebote und andere präventive Maßnahmen sinnvoll sein. Noch fehlen dazu konkrete Erfahrungswerte, schließlich steckt die frühzeitige Erkennung kognitiver Erkrankungen noch in den Kinderschuhen. Mit SCOBES-AR entsteht bis 2023 jedoch ein Tool, das diese Entwicklung maßgeblich vorantreiben und damit neue Erkenntnisse für die Demenz-Prävention liefern kann.

SCOBES-AR wird im Rahmen der 7. Ausschreibung von COIN Aufbau gefördert.

Kontakt zum Projektteam

FH-Dozent Wolfgang Staubmann, Foto: FH Joanneum/Miriam Weiß

Dozent (FH) Wolfgang Staubmann, BSc, MSc
FH Joanneum, Institut für Diätologie

Telefon: 0664 80453-6777
E-Mail: scobes-ar@fh-joanneum.at
https://scobes-ar.fh-joanneum.at/